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Solidarität und Demokratie

Die Diakonie der Evangelischen Kirche in Frankfurt am Main ist über 100 Jahre alt

Die Lage in Frankfurt um 1910 ist für die Stadtbevölkerung prekär

Frankfurt am Main 1910: Für einen Großteil der Einwohner ist die Lage prekär. Statistiken wie die Dokumentationen der Frankfurter Arbeiterbewegung gehen davon aus, dass rund 28 Prozent der Bevölkerung als arm gelten und nur bis 900 Mark Jahreseinkommen zur Verfügung haben. Dazu kommen die so genannten Minderbemittelten mit einem Einkommen bis zu 3000 Mark, die 58 Prozent der Bevölkerung ausmachten. In absoluten Zahlen ausgedrückt sind so 370.000 Einwohner der Stadt Frankfurt am Main arm oder minderbemittelt, während nur acht Prozent der Bevölkerung dem Mittelstand zuzuordnen sind, den Begüterten und Reichen lediglich fünf Prozent. Eine große Zahl der Menschen in Frankfurt lebt damit am Existenzminimum, unter ihnen viele Kinder und Jugendliche.

Die Zeichen der Zeit erkannt und gehandelt

„Eine lebhaftere Diskussion erhob sich über die an die Synode herangebrachte Anregung, Mittel zur Anstellung eines Berufsarbeiters für Fürsorgeerziehungs- und Jugendgerichtsangelegenheiten bereitzustellen.“ Mit diesen Worten berichtet der „Frankfurter Kirchen-Kalender für die evangelischen Stadt- und Landgemeinden des Konsistorialbezirks Frankfurt am Main“ in seiner Ausgabe 1911 über die am Tagung der Evangelisch-reformierten Stadtsynode vom 24. Februar 1910. Von verschiedenen Seiten war das dringende Bedürfnis nach Jugendpflege artikuliert worden, um der prekären Lage in der Stadt nicht tatenlos gegenüberzustehen. Die Bezirkssynode reagierte im November 1910 mit einem richtungsweisenden Beschluss. „Der wichtigste Punkt der Tagesordnung war die Anstellung eines Berufsarbeiters für Fürsorge-Erziehungs- und Jugendgerichtsangelegenheiten“, heißt es in der Kirchlichen Chronik, „hierzu wurden die Mittel zur Annahme eines männlichen und eines weiblichen Berufsarbeiters bewilligt und ein ständiger Fürsorgeausschuss eingesetzt, der die Arbeit derselben zu beaufsichtigen hat.“

Ein eigenständiger Weg

Damit ging die Frankfurter Kirche im Bereich der Jugendfürsorge einen eigenständigen und in Deutschland einmaligen Weg. Die verfasste Kirche wandte sich direkt sozialen Aufgabenfeldern zu und ließ sie nicht über Vereine und andere Träger außerhalb dieser verfassten Kirche organisieren. Gleichzeitig bedeutete dies die Geburtsstunde der Diakonie der Evangelischen Kirche in Frankfurt am Main. Die im „Haus Zuflucht“ am Alfred-Brehm-Platz arbeitende Berufsarbeiterin, deren Anstellung der Weiblichen Stadtmission übertragen worden war, sowie der Berufsarbeiter entfalteten von nun an eine umfangreiche Tätigkeit in der Jugendgerichtshilfe. Sie arbeiteten mit dem reformierten Frankfurter Jugendgericht zusammen und bildeten Vormünder aus. So gelang es, in einer engen Abstimmung zwischen dem Jugendrichter, dem Jugendstaatsanwalt und dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe sehr frühzeitig eine Einbindung von erzieherischen Maßnahmen in die strafrechtliche Verfolgung zu gewährleisten.

Im Jahre 1923 dann wurde der „männliche Teil“ der Arbeit dem 1920 entstandenen Evangelischen Volksdienst zugeordnet. Die präventive Jugendsozialarbeit in der Trägerschaft von evangelischen Vereinen wie Wartburgverein, Jünglingsvereinen, CVJM oder Jungfrauenvereinen. Mit der Gründung des Evangelischen Regionalverbandes im Jahre 1973 wird der Evangelische Volksdienst ein Fachbereich. Unmittelbar im Anschluss erfolgt die Umwandlung in das Diakonische Werk für Frankfurt am Main. Ebenso entstand der heutige Fachbereich I: Beratung, Bildung, Jugend.

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